Die Frage, ob Zero Trust in der Cloud ein Widerspruch ist, entsteht häufig aus der Annahme, dass Cloud-Nutzung auf Vertrauen gegenüber einem externen Provider basiert. Zero Trust dagegen fordert explizit: Vertraue niemandem – überprüfe alles. Im Kern geht es jedoch weniger um Misstrauen, sondern um eine belastbare Sicherheitsarchitektur, die sich an Identität, Kontext und Risiko orientiert. Dadurch sind Cloud-Umgebungen nicht nur kompatibel mit Zero Trust, sondern profitieren sogar von dessen Prinzipien, weil sie ohnehin stark von Automatisierung, APIs und identitätszentrierten Steuerungsmodellen geprägt sind.
Warum wirkt Zero Trust in der Cloud wie ein Widerspruch?
Die vermeintliche Gegensätzlichkeit entsteht aus überholten Sicherheitsparadigmen. In klassischen Rechenzentren wurde Schutz häufig über Perimeter-Sicherheit definiert: Solange sich Systeme innerhalb des internen Netzwerks befanden, galten sie als vertrauenswürdig. Cloud-Plattformen heben dieses Modell auf, da Daten und Workloads über Regionen, Dienste und Mandanten verteilt sind. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) beschreibt in seinem „Positionspapier Zero Trust“ genau dieses Problem: Angriffe erfolgen zunehmend innerhalb legitimer Kommunikationspfade, weshalb Perimeter-basierte Modelle zu träge und zu grob sind.
Hinzu kommt ein psychologischer Faktor: Die Verantwortung für physische Infrastruktur und Netzwerkgrenzen liegt beim Cloud-Provider. Manche Organisationen empfinden dies als Kontrollverlust. Studien wie die Analyse von Infosys („Explore the Benefits of Zero Trust for Secure Cloud“) zeigen jedoch, dass dieser Kontrollverlust nicht real ist. Mit Zero Trust lassen sich Sicherheitsentscheidungen granularer und überprüfbarer gestalten, weil sie auf identitätszentrierter Autorisierung, kontinuierlicher Bewertung und Automatisierung beruhen.
Schließlich führt die Vielzahl an Cloud-Diensten zu komplexen Architekturmustern. Ohne klare Governance besteht das Risiko, dass Zero-Trust-Regeln inkonsistent angewendet werden. Dies ist ein häufiger Grund für Bedenken, aber kein inhärenter Widerspruch.
Wie lässt sich Zero Trust in Public-, Hybrid- und Multi-Clouds praktisch umsetzen?
Die Umsetzung von Zero Trust in Public-, Hybrid- und Multi-Clouds konzentriert sich auf wenige, aber entscheidende Bausteine:
-
Identitäten modernisieren: MFA, Conditional Access, rollenbasierte Zugriffsmodelle sowie Workload-Identitäten reduzieren das Risiko kompromittierter Accounts – weiterhin der häufigste Angriffsvektor.
-
Konsistente Richtlinien etablieren: In Multi-Clouds sind zentrale Steuerung und einheitliche IAM- und Netzwerkregeln nötig, da Provider unterschiedliche Sicherheitsmodelle nutzen.
-
Inventar & Segmentierung vereinheitlichen: Fehlende Übersicht über Dienste, Identitäten und Kommunikationspfade sowie inkonsistente Segmentierung gehören zu den häufigsten Ursachen für Fehlkonfigurationen.
-
Cloud-native Controls nutzen: Mikrosegmentierung, Service Meshes, Cloud-Firewall-Richtlinien und Policy-as-Code ermöglichen automatisierte und reproduzierbare Zero-Trust-Entscheidungen.
-
Providerübergreifende Koordination: Microsoft zeigt im Leitfaden „Zero Trust security in Azure“, wie Identitätsvalidierung, ressourcenbezogene Zugriffskontrollen und Richtlinien-Engines zusammenwirken, um konsistente Sicherheitsentscheidungen über Cloud- und Hybrid-Umgebungen hinweg zu ermöglichen.
Entscheidende organisatorische Voraussetzungen
Entscheidende organisatorische Voraussetzungen
Zero Trust funktioniert nur, wenn organisatorische Strukturen konsequent ausgerichtet werden. Dazu gehört ein vollständiges und aktuelles Inventar aller Identitäten, Dienste und Kommunikationspfade, denn nur bekannte Objekte können bewertet und geschützt werden. Ebenso wichtig sind klare Verantwortlichkeiten für Richtlinien, Ausnahmen und die kontinuierliche Überwachung. Ohne eindeutige Zuständigkeiten entstehen Regelkonflikte und operative Lücken.
Eine Klassifizierung von Daten und Workloads bildet die Basis für risikoorientierte Entscheidungen, während standardisierte Logging- und Monitoring-Prozesse dafür sorgen, dass sicherheitsrelevante Signale konsistent zusammengeführt werden. Zero Trust erfordert außerdem ein hohes Maß an Automatisierungskompetenz, damit Richtlinien dynamisch und nachvollziehbar durchgesetzt werden können. Nur wenn Teams wissen, welche Kommunikationspfade geschäftskritisch und legitim sind, lässt sich Zero Trust stabil im Betrieb verankern.
Fazit: Zero Trust und Cloud passen trotz Herausforderungen zusammen
Zero Trust stößt in Cloud-Umgebungen zwar auf spürbare operative und organisatorische Hürden – etwa komplexe Richtlinien, hohen Automatisierungsbedarf oder begrenzte Fachressourcen. Dennoch zeigt die Praxis, dass sich viele Prinzipien gerade in Cloud- und Multi-Cloud-Landschaften gut umsetzen lassen, weil Identitäten, Telemetrie und Automatisierung dort ohnehin zentrale Bausteine sind.
Damit wird deutlich: Zero Trust und Cloud schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich. Der Ansatz ist kein Selbstläufer und verlangt klare Governance sowie technische Reife. Wird er jedoch gezielt und angemessen eingeführt, kann Zero Trust einen stabilen Rahmen bieten, um Cloud-Ressourcen kontrollierter und nachvollziehbarer zu betreiben – ohne überzogene Erwartungen und ohne den Anspruch, jede Bedrohung vollständig auszuschließen.

